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Sensler Museum
Musée Singinois

Kirchweg 2
CH-1712 Tafers

sekretariat@senslermuseum.ch
PCK 17-8499-7

 

   
Dialektraum im Museum

Senslerdeutsches Wort des Monats

Senslerdeutsche Sprüche, Redewendungen, Begriffe, Worte,...
Monatlich erklärt von Christian Schmutz; Dialektologe, Co-Autor des Senslerdeutschen Wörterbuchs, Schnabelweidredaktor




Mai 2022
hiisraamig
Nach dem Maisingen ist manch junger Sensler chyyschtrig. Chyyschtrig haben wir aus Bern übernommen. Im älteren Senslerdeutsch wäre er hiisraamig, was man aber nicht mehr so oft hört. Hiisraamig hat nichts mit «heiss» und nichts mit «Rahm oder Rahmen» zu tun. Es ist ein Relikt aus dem Mittelalter. Heiseram, heisram war eine frühe Erweiterung von heise, heiser, indem in einigen Schweizer Dialekten an heiser die Endung -em angehängt wurde. Durch Betonung veränderte sich der Vokal der Endung von e zu a. Besonders senslerdeutsch ist einzig, dass später an heiseram noch die zusätzliche Endung -ig angehängt wurde (vielleicht analog zu chyyschtrig?). So war eben früher nach dem Maisingen manch eine Senslerin hiisraamig oder hiiseraamig.

 

 

April 2022
Im Leerersch Hùnn
Seit 30 Jahren beschäftige ich mich mit Senslerdeutsch und nach wie vor gibts Neues zu entdecken. Gerade ist der Syntaxatlas der deutschen Schweiz herausgekommen. Da gehts zwar nicht um Wörter, sondern um grammatikalische Eigenheiten, die über das Einzelwort hinausgehen, und um ganze Sätze. Beim besitzanzeigenden Genitiv des Lehrers Hund brauchen rund drei Viertel der Deutschschweizer den Dativ: em Lehrer si Hund (o.ä.). Fast 20 Prozent brauchen den Genitiv (ds) Lehrersch Hund (v.a. in VS/GR). Angegeben wurde auch dr Hund vom Lehrer. Und schliesslich sagen fast nur Sensler im/am Leerers/-rsch Hùnn. Eine Mischung aus Dativ und Genitiv – als Einzigartigkeit wissenschaftlich bestätigt!

PS: Aktuell läuft an der Uni Bern auch eine Neubearbeitung des Sprachatlasses der deutschen Schweiz. Die Befragenden haben nur um Jaun und seltener im Senseland den weiblichen Artikel d Coop gehört. Sonst ist für Bern/Freiburg sächlich ds Coop vorherrschend, der ganze Rest sagt männlich de/der Coop.

 



März 2022
ǜü
Mündlich versteht man Senslerdeutsch ja besser als viele meinen. Schriftlich wirds aber rasch exotisch. Was bedeutet der Accent auf einem U (wie bei jùscht)? Und wie ums Himmelsgottswillen kommt jemand auf die Idee, auf ein Ü noch ein Accent grave zu setzen (stǜǜrze)? So markieren die SenslerInnen laut den Schreib- und Leserichtlinien aus den 1960er-Jahren eine offene Aussprachevariante von U oder Ü. Ù liegt zwischen U und O; Ǜ zwischen Ü und Ö. Für Ostschweizer ist dieser Laut schwer auszusprechen, aber zum Beispiel für Berner oder für Westschweizer ist er alltäglich. Ù entspricht welschem eau «Wasser», Ǜ tönt genau wie deux yeux «zwei Augen». Die Interjektion ǜǜ allein heisst etwa «ach, eh, oho, schau» und wird bei Erstaunen, bei Fragen oder Bestätigung heischend eingesetzt. Ǜǜ jaa, dùù!

 

Februar 2022
Zaaggi
Die Idiotikon-Redaktion arbeitet am Buchstaben Z. Nun wird im schweizerischen Wörterbuch auch Zaaggi erklärt. Dabei werden zwei Bedeutungen klar getrennt: Zaaggi für eine «zaghafte Person» kommt von zaagge und ist eine «Intensivbildung durch Konsonantenverschärfung» von zagen «mutlos werden; schlaff hängen». Es ist eine relativ junge Bildung (17./18. Jh.), die aber im Westen und in der Innerschweiz älteres zaage/zage fast vollständig verdrängt hat. An der Sprachgrenze ist aber auch der Einfluss von Patois Dzâtchye für den Namen «Jacques» wichtig. Der Patois-Anlaut Dz- hat zum Sensler Zaaggi für «Jakob» geführt (vgl. den berühmten Neuseeland-Abenteurer Jakob «Zaaggi» Lauper). Die beiden Zaaggi-Bedeutungen haben sich bei den Senslern wohl gegenseitig gestützt. Drum hört man Zaaggi heute noch.



Januar 2022

peetle
Es geht das Gerücht, früher seien im Senseland ganze
Hiimetlini beim Peetle verspielt worden. Das Kartenspiel Peetle wurde verboten, und heute kennt es kaum mehr jemand. Sein Name kommt eindeutig von la bête, einem Stich-Kartenspiel aus der Zeit um 1600 in Frankreich. Es gab eine Reihe so ähnlicher Spiele wie Triomphe, Ombre, Homme, Mouche, Labett, bei denen sich je nach Region Namen und Spielvarianten vermischten. Ablaufverwandt sind auch Ramse und Hacke, die manche bei uns noch kennen. Wichtig war: Es brauchte einen Einsatz (Jetons, Nüsse, Münzen), den man erhöhen und rasch vermehren oder auch ganz verlieren konnte, wenn man keinen Stich machte. Das englische Wort bet «Wette» entstand wie Peetle um 1600. Die Herkunft von bet ist unsicher. Eine der Varianten geht davon aus, dass bet auf das la bête/peetle zurückgeht.



Dezember 2021
fryggle, tschäggeret
Gustav hat den Preis Sparkasse Sense erhalten. Gratulation! Bei der Preisverleihung hat er sein Lied Häppörischnitta gesungen, wie schon fast überall in der Schweiz. Die Sensler Wörter fryggle und tschäggeret verstehe aber kaum jemand. Hier nun die Erklärung: le friko ist im Patois und schweizerischen Französisch «Festmahl, gebratene Speise». Es ist abgeleitet von frire «braten» und wurde bei uns für spezielle Essen gebraucht: Fùchsefryggù, Chǜubifryggù, Eierfryggù etc. Das Verb dazu war im Patois fricoter, im Senslerdeutschen fryggle «essen». Und tatsächlich braucht das sonst niemand. – Tschägget, gschägget «gefleckt, scheckig, bunt» gab es noch im 19. Jahrhundert fast in der ganzen Deutschschweiz. Im Walliser Lötschental sind di Tschäggete heute noch Fasnachtsfiguren mit bunten Tierfellmasken. Tschäggeret ist eine Lautvariante von tschägget. Auch hier finden wir die Wurzeln im Westen: Altfranzösisch waren Wappen im 12. Jahrhundert eschequeré «schachbrettartig gefleckt», neufranzösisch heisst es échiqueté. Gefleckt, fast wie eine Häppörischnitta.

 

 

November 2021
stüe
Zweimal um die Ecke denken – das müssen wir beim Erklärungsansatz des Sensler Worts stüe. Stüe heisst «geistern» und kommt im Sagenkrimi «Das chùnt scho guet» vor. In mehreren Schweizer Dialekten wurden früher spucken und spuken als gleiche Wörter empfunden. Da man für «spucken» in der Schweiz spüwe/spöye/speie sagte, wurde dies auch für «spuken» gebraucht. Vielleicht geschah dies anfangs einfach zum Spass: Ein Geist wurde in einer Berner Geschichte Sämi Spöu genannt. Im Sensebezirk, Jaun und Guggisberg wurde älteres spüwen dann zusätzlich zu stüwen verwandelt. Den genauen Grund kenne ich nicht. Ich weiss einfach, dass solche Wechsel zwischen Sp-/St- regelmässig vorkommen (vgl. Spreu neben Streu). Kurzes stüe ist dann eine lautgesetzlich typische Verkürzung im Senseland (wie bue aus buuwe, lüe aus lüüje und schnie aus schnyye). Und fertig ist ein spezielles Sensler Wort.



Oktober 2021                   
Brätzele und Tradle
Brätzela hab ich ja noch nie erklärt! Der Begriff geht ins Lateinische zurück: bracchia waren da die «Arme». Ins Romanische kam die Bedeutung «Gebäck mit ineinander gelegten Enden wie gekreuzte Arme». Dies kam ab dem 12 Jahrhundert ins Deutsche als brêzel. Verwandt sind auch frz. bricelets und it. bracciatello. Aber so international der Begriff – so regional variabel die Machart. Gerollt-flach, herzförmig-rund, süss-salzig, als Laugenbrot oder Mürbegebäck. Die salzige Fünf-Loch-Brätzela ist dabei optisch und geschmacklich der Sensler USP. Die gibts nur hier! Kaum mehr ein Sensler Apéro kommt ohne Brätzele aus. Zum Herstellen braucht es Tradle, lange Teigrollen, die zu Schlaufen verbunden und zum Backen auf die Brätzelyse gelegt werden. Tradla/tradle könnte mit «drehen» verwandt sein, wie das Sensler Wörterbuch vermutet. Möglich ist aber auch hier Patois-Einfluss: Tratè – als Lautumstellung von tarte – hiess da «Milchbretzel». Fèr à tratè war im alten Patois von Sugiez «das Bretzeleisen». 

 

September 2021
hinacht und nächti
Ich hab gedacht: Es gibt sprachlich doch nichts Einfacheres als gestern-heute-morgen. Aber das täuscht. Schwierig ist es vor allem durch die Doppeldeutigkeit von Tag. Tag kann rund 12 Stunden bedeuten (als Gegensatz zur Nacht) oder 24 Stunden (als Teil der Woche). Heute von althochdeutsch hiu dagu «an diesem Tag» galt eigentlich nur für die Zeit des Tageslichts, danach sagte man hia nacht, also «in dieser Nacht, heute Nacht». Das gibt es in ländlichen Gebieten noch heute, dass man hinacht, hinech oder hinet braucht. Die Verbindung moor am Aabe war anfangs unlogisch, da morgen sich auf den morgigen Tag bezog und der Abend nicht mehr zum Tag zählte. Für Rückblicke gab es in der Schweiz nächt, nächti, nächtig «letzte Nacht, letzten Abend». Mittelhochdeuttsch nähte, nähtin hiess «in der Nacht» und war ein alter Dativ, gleich wie morge für «am Morgen, morgen». Also: Gestern, heute, morgen haben sich erst über die Jahrhunderte zu einfachen Wörtern entwickelt.

 

August 2021
Galterental/Gottéron
Das Galterental, französisch vallée de Gottéron, ist superbeliebt für eine kühle Sommer-Wanderung. Sind die Namen Galteren und Gottéron verwandt? Ich war zuerst auf der Spur von Patois gotta, Französisch goutte «Tropfen; kleine Quelle». Also eine Grundform Got- (vgl. Gottau, Gotta, Gottala, Goutte) mit einer Ableitung -eron. Aber das Glossaire des Patois de la Suisse romande winkt ab: «Der Gewässername Gottéron gehört nicht zu dieser Familie.» In der Deutschschweiz gibt es dafür Galten, Galtenbach, Galt-Plangg und Gautere. Sie gehören zu galt «keine Milch gebend; unfruchtbar» und bezeichnen unfruchtbare, steile Abhänge. Schon ab dem 15. Jahrhundert wurde unser Galteren dann eingewelscht als Galter(r)on und Gaulteron und entwickelte sich zu Gottéron. Dass der Eishockeyclub Gottéron 1982 ins St. Leonhard gezogen ist, ist aber eine andere Geschichte.


Juli 2021
iis z Cheeret ùm
Unglaublich. Iis z Cheeret ùm «eins nach dem anderen, reihum» steht nicht im Sensler Wörterbuch! Auch im ersten Band des Idiotikons (1881) steht nur im Kehrum «reihum; im Nu» eine Bildung aus der Befehlsform heraus. Oder ein Cheerum: «Armer, der reihum von der Gemeinde Kost und Logie erhält». Der Cheer ist ähnlich vieldeutig wie französisch le tour oder italienisch la volta. Es ist seit dem Spätmittelalter «Wendung, Richtung», aber dann auch «Runde, Spaziergang, Reihenfolge, Arbeit mit fixem Ablauf». Beliebt ist auch die schnelle Geste des Umkehrens einer Hand für «im Nu, sogleich»: handkehrum oder handumkehrt. (Ich freue mich jeweils, wenn ich die Weiterentwicklung hans-cheerùm höre.) Dies alles erklärt nur im Cheer ùm oder z Cheer ùm. Im 20. Jahrhundert haben die Sensler daraus aber z Cheeret ùm gemacht. Es dürfte eine volksetymologische Annäherung an kehret um gewesen sein. Schön – und ähnlich innovativ wie Hans cheer ùm.

 

Juni 2021
Vacherin
Vacherin ist ein Käse aus der Westschweiz und Ostfrankreich. Der Freiburger Vacherin ist halbhart und ideal zusammen mit Greyerzer im Freiburger Fondue. Aber woher kommt der Name – und warum gibt es auch Vacherin als Eisbombe? Einer Legende zufolge gab es im 13. Jahrhundert einen Klosterbruder in Münchenwiler mit dem Namen Vacarinus, der das Rezept erfand. Aus caseus vacarinus «der Käse von Vacarin» sei dann Vacherin entstanden. Dem widerspricht, dass es im 15. Jh. auch die Form vachelin gab. Vacherin/vachelin ist wohl eher eine Ableitung bzw. Verkleinerung von vache «Kuh». Im Patois spricht man von vatsêrin (Kuh heisst vatse), im alten Senslerdeutsch hörte man noch Wätscheryy. Die vacherin glacé mit Eis ist erst im 19. Jh. aufgekommen. Offenbar hat Form und Farbe der Eistorte umschwungen von Meringue und Rahm an einen Vacherin-Käse (Mont d'or?) erinnert. Daher der Name.

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by sinato